Berufslexikon Spezial: New Work: Wie wir wirklich arbeiten wollen

Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung sind zentrale Elemente von New Work. Neues Arbeiten verknüpft das berufliche und das private Leben in einem hohen Maß. Dafür sind die Arbeitszeiten und -orte flexibel – und im Optimalfall bleibt mehr Platz für persönliche Entfaltung.

Patrick ist Grafikdesigner und schätzt seinen 6-Stunden-Arbeitstag, den er mal im Homeoffice, mal im Coworking Space in der Salzburger Innenstadt verbringt. Carina aus Wien ist bald fertig mit ihrer Ausbildung zur Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde. Wenn sie eine Familie gegründet hat, will sie sich ihr Dienstverhältnis im Krankenhaus mit einer Kollegin oder einem Kollegen teilen. Bela ist Journalist und freut sich auf die nächsten zwei Monate Workation auf Bali. Als angehende Multimedia-Projektmanagerin für Lernsoftware will Pippa ihren 38-Stunden-Job von Montag bis Donnerstag erledigen. Gemeinsam haben diese Menschen, dass sie flexibel arbeiten möchten – zeitlich und zum Teil örtlich. Sie gehören außerdem der Generation Z an, die nicht nur Flexibilität und flache Hierarchien schätzt, sondern sich auch eine sinnstiftende Arbeit wünscht.

New Work ist kein neues Konzept

Ein junger Mann sitzt am Strand im Sand, arbeitet an seinem Laptop, vor ihm das türkisblaue Meer.

© iStock/grinvalds

„Das Ziel der Neuen Arbeit besteht nicht darin, die Menschen von der Arbeit zu befreien, sondern die Arbeit so zu transformieren, damit sie freie, selbstbestimmte, menschliche Wesen hervorbringt.“
Quelle: Frithjof Bergmann (2004): Neue Arbeit, neue Kultur, S. 12.

Das New-Work-Konzept ist nicht neu. Bereits in den frühen 1980ern – unter dem Eindruck der Rezession, der Automatisierung in der US-Autoindustrie und den damit verbundenen Jobverlusten – entwickelte der österreichisch-US-amerikanische Sozialphilosoph Frithjof Bergmann seine Vision der Neuen Arbeit. Sie ist als Gegenmodell zum kapitalistischen, aber auch zum sozialistischen Arbeitsmodell zu verstehen, als „Arbeit, die wir wirklich, wirklich wollen“. Darin steckt Selbstbestimmung, aber auch Selbstverwirklichung. Es geht dabei um die Hinterfragung des Lohnarbeitssystems bzw. die Ergänzung durch Gemeinschaftsproduktion und Möglichkeiten, seiner eigenen Berufung zu folgen. Durch den Strukturwandel der Arbeitswelt, der vor allem durch die Megatrends Digitalisierung und Globalisierung vorangetrieben wird, sind New-Work-Konzepte wieder in den Fokus gerückt.

Was verstehen wir unter New Work?

Ein junger Mann sitzt in einem Café, vor ihm sein Laptop, er blickt lächelnd auf seine Armbanduhr.

© iStock/pixelfit

Im Zentrum von New-Work-Ansätzen stehen zunächst oft zeitliche und örtliche Selbstbestimmung. Die folgenden Modelle gehen weiter als das Teilzeitmodell einerseits und Homeoffice andererseits.

4 Arbeitszeitmodelle für mehr Flexibilität und Freiheit

  • 4-Tage-Woche: die 5-Tage-Woche als Normalarbeitszeit bzw. die 4-Tage-Woche als Alternative dazu ist aktuell Gegenstand vieler Diskussionen. Längere Erholungsphasen, höhere Produktivität, attraktivere Arbeitsbedingungen: das sind unter anderem die Argumente der BefürworterInnen. Erreicht werden kann die 4-Tage-Woche entweder durch eine Arbeitszeitverkürzung oder eine Umverteilung der gesamten Arbeitszeit von fünf auf vier Tage.
  • Vertrauensarbeitszeit: Bei diesem Modell steht die Flexibilität der Arbeitszeit im Zentrum. Beginn, Pausen und Ende der Arbeit können von ArbeitnehmerInnen frei und eigenverantwortlich eingeteilt werden. Der vereinbarte Arbeitsumfang und gesetzliche Regelungen (Pausen, maximale Arbeitszeit u.Ä.) müssen dabei aber eingehalten werden.
  • Sabbatical: Das Sabbatical ist ein Arbeitszeitmodell für eine längere Auszeit vom Beruf. Diese wird oft für eine längere Reise, aber auch für eine Weiterbildung genutzt. Die Finanzierung des Sabbaticals erfolgt oft über eine Gehaltsreduktion über einen bestimmten Zeitraum bei gleichbleibenden Arbeitsstunden, um während des Sabbaticals weiterhin das (reduzierte) Gehalt zu bekommen. Außerdem möglich ist die Überstunden-Sparvariante, bei der Überstunden für einen längere Auszeit angesammelt werden.
  • Jobsharing: Halbe-halbe mit der Kollegin oder dem Kollegen? Wer sich einen Vollzeit-Arbeitsplatz teilt, legt gemeinsam mit seiner Kollegin oder seinem Kollegen die Aufgabenverteilung, Verantwortungsbereiche und Arbeitszeiten fest.

Neues Arbeiten bedeutet auch örtlich flexibleres Arbeiten

Eine junge Frau arbeitet in einem modernen Coworking Space an ihrem Schreibtisch, im Hintergrund arbeiten weitere Menschen an Laptops und besprechen sich.

© iStock/Pekic

  • Remote Work: Ob fully remote oder hybrid – viele Menschen schätzen es, ganz oder zumindest für ein paar Tage pro Woche außerhalb des Büros, meist im Homeoffice, zu arbeiten.
  • Desk Sharing: Freie Platzwahl im Büro! Immer mehr Unternehmen verzichten auf fix zugeteilte Arbeitsplätze. Der Trend zu flexibleren Arbeitszeiten sowie die verstärkte Nutzung des Homeoffice führen unter anderem dazu, dass in Büros auch weniger Arbeitsplätze gleichzeitig benötigt werden. Allerdings: Nicht allen Menschen gefällt es, auf den individuell gestalteten Schreibtischbereich und das gewohnte Gesicht gegenüber zu verzichten.
  • Coworking Spaces: Gemeinschaftsbüros für FreiberuflerInnen, Selbstständige und Freelancer bieten die Möglichkeit, Arbeitsplätze anzumieten – und damit auch eine Office-Infrastruktur wie Drucker oder Besprechungsräume. Es ist eine Alternative zum Homeoffice für alle, die auch gerne Networken und sich austauschen.
  • Workation: Urlaub nach Feierabend! Den Arbeitsort dorthin verlegen, wo andere Urlaub machen: das ist das Prinzip von Workation, einem Kofferwort aus work (=Arbeit) und vacation (=Urlaub).

Berufe im Fokus: Neues Arbeiten bedingt neue Formen des Zusammenarbeitens

Teams werden in Zukunft agiler, fluider, virtueller. Das heißt: die Selbstorganisation steigt, die Zusammensetzung der MitarbeiterInnen variiert nach Projekt und die Zusammenarbeit findet stärker über digitale Medien statt, ohne physische Anwesenheit.

Das stellt neue Anforderungen an ProjektmanagerInnen. Eine weit verbreitete Methode des agilen Projektmanagements ist SCRUM, wobei größere Aufgaben in kleinere Schritte unterteilt werden, um schneller zum Ziel zu gelangen. Ursprünglich wurde diese Methode von Software-EntwicklerInnen erarbeitet. Auch die Unternehmensstrukturen und -prozesse sind im Wandel. Hierarchien werden flacher, gleichzeitig gewinnt digital Leadership im Management an Bedeutung. UnternehmensberaterInnen im Bereich Organisationsentwicklung und Change ManagerInnen begleiten Unternehmen, die New-Work-Konzepte umsetzten möchten. Human-Resources-/HR-ManagerInnen sind wiederum damit beschäftigt, flexible Arbeitszeitmodelle zu entwickeln und mit den Mitarbeitenden zu vereinbaren. Vor Ort braucht es smarte Bürokonzepte und für die virtuelle Zusammenarbeit sichere Netzwerke. Hier sind Berufe wie InnenarchitektIn oder IT Security Consultant gefragt.

4 New Work Typen

Zeitlich und örtlich flexibles Arbeiten bringt auch neue Arbeitstypen hervor. Außerdem wird Wissen zur zentralen Ressource.

  • Typ 1: Learning Worker

Learning Workers sind in Zeiten der Digitalisierung besonders gefragt. Schließlich erfordert es die neue Arbeitswelt, sich schnell auf neue Technologien einzustellen und diese erfolgreich in den Arbeitsprozess zu integrieren, beispielsweise die Arbeit mit KI-Tools.

  • Typ 2: Knowledge Worker

Wissen ist ihr Kapitel, kreative Problemlösung, scharfe Analyse und spezielle Fachexpertise sind ihre Stärken. WissensarbeiterInnen kommen zum Einsatz, wenn es z.B. darum geht, Unternehmensprozesse zu optimieren oder innovative Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln.

  • Typ 3: Digitale Nomadin/Digitaler Nomade

Ihr Arbeitsplatz kann überall auf der Welt sein, wo es Internetempfang gibt. Digitale NomadInnen arbeiten fully remote und haben oft Medienberufe wie BloggerIn, InfluencerIn, FotografIn oder arbeiten z.B. im Bereich Softwaretechnik, Programmierung.

  • Typ 4: Crowdworker

Sie erhalten ihre Arbeitsaufträge per Klick, texten Produktbeschreibungen, testen Software oder beschlagworten Fotos. Schnell, günstig und rund um die Uhr verfügbar. Oft bieten sie ihre Dienste über eine Crowdworking-Plattform an. Der Nachteil: die mangelnde Absicherung und die geringe Bezahlung kann zu prekären Arbeitssituationen führen bzw. werden diese Arbeiten oft in Drittstaaten ausgelagert.

Schöne neue Arbeitswelt?

Dass neue, atypische Beschäftigungsformen oder prekäre Arbeitsverhältnisse entstehen, ist eine der Schattenseiten von New Work. Ein großes Risiko von New Work liegt aber vor allem darin, dass die örtliche und zeitliche Flexibilisierung zur Entgrenzung von Beruflichem und Privatem führt – möglicherweise bis zur Selbstausbeutung.

Nicht zuletzt bedeutet Selbstbestimmung nicht automatisch Selbstverwirklichung – die Debatte um Arbeit jenseits der Erwerbsarbeit – wie sie auch Frithjof Bergmann verhandelt – steht in der aktuellen New-Work-Debatte im Hintergrund. Wichtig ist jedoch, insbesondere für die Generation Z, der sinnstiftende Aspekt eines Berufs.

„Für keine andere Generation war es bisher so wesentlich, einer Arbeit mit Bedeutung und Sinn nachzugehen, wie für die Generation Z.“

Quelle: https://www.greatplacetowork.at/presse/alarmierende-zahlen-nicht-einmal-die-haelfte-der-generation-z-sieht-bei-ihrem-jetzigen-arbeitgeber-sinn-in-der-arbeit/

New Work – für alle?

Wenn wir von New Work sprechen, denken wir vor allem an berufliche Tätigkeiten, die bildschirmbasiert erfolgen und keine physische Anwesenheit erfordern. Auch wenn örtliche Flexibilität für viele Berufe nicht umsetzbar ist, flexible Arbeitszeitmodelle sind es hingegen schon. Beispielsweise wird die 4-Tage-Woche von Unternehmen zur Attraktivierung von Arbeitsbedingungen in Bereichen mit großem Fachkräftebedarf – wie in der Pflege, im Tourismus und Gastgewerbe oder im Handwerk – bereits eingesetzt.

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